Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verkündete heute unter dem Vorsitz von Dr. Claus Belling sein Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen ein Mitglied der sog. Kurdischen Arbeiterpartei („PKK“). Der 63-jährige Angeklagte, ein türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben wurde ein Bargeldbetrag in Höhe von 2.010 Euro eingezogen.

Dem Urteil waren 43 Verhandlungstage seit dem 17. April 2019 vorausgegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat insgesamt 21 Zeugen vernommen sowie zahlreiche Dokumente und abgehörte Telefongespräche eingeführt. In der Hauptverhandlung waren zudem auch Bekennervideos der PKK zu tödlichen Anschlägen auf Militär- und Sicherheitsorgane der Türkei abgespielt worden.

Nach den Feststellungen des Senats strebt die PKK einen staatsähnlichen „konföderalen“ Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak mit eigener Staatsbürgerschaft und eigener Armee an. Neben einem politischen Arm verfügt sie zur Durchsetzung ihrer Ziele auch über militärisch strukturierte Guerillaeinheiten, die vor allem im Südosten der Türkei Anschläge vorwiegend auf türkische Sicherheitskräfte und Soldaten verüben, bei denen immer wieder auch Zivilisten getötet bzw. verletzt werden. Zweck und Tätigkeit der „PKK“ sind daher u.a. darauf gerichtet, durch Anschläge Mord und Totschlag in der Türkei zu begehen. Auch in Deutschland und weiteren westeuropäischen Staaten hat die „PKK“ unselbstständige Strukturen aufgebaut, die als untrennbarer Bestandteil der Gesamtorganisation und als Rückzugsraum konzipiert sind. Die in Europa hauptamtlich agierenden, weisungsgebundenen Führungskader werden mit der praktischen Umsetzung der von der Parteispitze getroffenen Entscheidungen in den Aufgabenbereichen Geldbeschaffung, indoktrinierende Propaganda und Nachwuchsrekrutierung befasst; durch damit verbundene Betätigungen tragen auch die in Deutschland agierenden „PKK“-Führungskader zur Förderung des bewaffneten Kampfs der Organisation in der Türkei bei. Die seit 1993 in Deutschland verbotene und von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung eingestufte „PKK“ versteht sich als einzig legitimes Sprachrohr und Vertretung sämtlicher Kurden weltweit.

Hinsichtlich des im Juli 2009 erstmals nach Deutschland eingereisten und zuletzt in Bad Wildbad wohnhaften Angeklagten ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass dieser von Mitte Juli 2016 bis zu seiner Festnahme am 21. Juni 2018 das PKK-Gebiet Freiburg leitete. Dabei kam er vor allem der Aufgabe nach, in seinem Gebiet die Spendensammlungen zu organisieren, gebietsinterne Veranstaltungen zu initiieren und sich für das Gebiet Freiburg an der Organisation regionsübergreifender PKK-Großveranstaltungen zu beteiligen.Hinsichtlich eines bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldbetrages in Höhe von 2.010 Euro gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass es sich hierbei um Finanzmittel der PKK handelt, weswegen deren Einziehung angeordnet wurde.

Der Senat hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten insbesondere berücksichtigt, dass es sich bei der „PKK“ um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung handelt und dass der Angeklagte über einen Zeitraum von zwei Jahren seine Kadertätigkeit ausübte. Strafmildernd wertete der Senat neben der langen Dauer der Untersuchungshaft mit den gesetzlich vorgegebenen besonders belastenden Haftbedingungen angesichts der nicht unerheblichen gesundheitlichen Einschränkungen vor allem, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und vor seiner Ausreise aus der Türkei persönlich Übergriffen des türkischen Staates ausgesetzt war.

Der Senat ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

Aktenzeichen
6 – 35 OJs 14/16 – Oberlandesgericht Stuttgart
35 OJs 14/16 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart

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