Pressemitteilung des LG Düsseldorf vom 31.07.2018

Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf hat mit Urteil vom 31.07.2018 (1 Ks 17/17) den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwölf Fällen durch Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion freigesprochen. Die Kammer konnte aufgrund der Beweisaufnahme nicht die für eine Verurteilung erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Angeklagte der Täter war. Die Hauptverhandlung wurde an 32 Verhandlungstagen mit der Vernehmung von 78 Zeugen, drei Sachverständigen sowie der Einführung einer Vielzahl von Urkunden und aufgezeichneten Telefonaten durchgeführt.

Fest steht, dass am 27.07.2000 um 15:03 Uhr im Eingangsbereich des S-Bahnhofs Düsseldorf-Wehrhahn ein Sprengsatz zur Explosion gebracht wurde. Zehn Personen wurden durch die von dem Sprengsatz ausgehenden Splitter zum Teil sehr schwer verletzt. Eine damals 26-jährige Frau, die im sechsten Monat schwanger war, verlor durch Einwirkung der Splitter ihr ungeborenes Kind. Die Opfer stammten aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan. Sie hatten jeweils verschiedene in der Nähe des Tatorts gelegene Klassen einer Sprachschule besucht und befanden sich zum Tatzeitpunkt auf dem Heimweg.

Der Angeklagte war schon kurz nach der Tat in das Blickfeld der umfassenden Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft geraten. Mangels hinreichenden Tatverdachts stellte die Staatsanwaltschaft jedoch im Jahre 2002 das Verfahren gegen den Angeklagten ein. Im Juli 2014 nahm sie die Ermittlungen nach einem Hinweis eines Mitgefangenen wieder auf. Der Zeuge hatte einem Anstaltsbediensteten in der Justizvollzugsanstalt gemeldet, dass der vormals dort auch inhaftierte Angeklagte ihm gegenüber die Tat zugegeben habe.

Das Gericht hat in der Hauptverhandlung eine Vielzahl von Indizienbeweisen erhoben; unmittelbare Beweise wie Spuren des Angeklagten an Tatmitteln oder Zeugen, die den Angeklagten bei der Tatbegehung beobachtet haben, gab es nicht. Diese Beweisanzeichen hat das Gericht im Urteil in ihrer Gesamtheit gewürdigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Indizienbeweise auch in der Summe nicht ausreichen, um die Täterschaft des Angeklagten zweifelsfrei nachzuweisen.

Im Einzelnen: Die Angaben des Angeklagten, der sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung über weite Strecken gelogen hat, waren zur Aufklärung des Geschehens weitestgehend unbrauchbar. Die erheblich ausländerfeindliche Einstellung des Angeklagten, die unter anderem durch aufgezeichnete Telefonate des Angeklagten feststeht, war lediglich ein Indiz für seine Täterschaft. Die Wahrnehmungen vieler Zeugen lagen bis zu 18 Jahre zurück und konnten mangels Erinnerung nur nach dem Aktenmaterial rekonstruiert werden; dabei blieben viele Fragen offen und Widersprüche traten auf. Zwei Zeugen, die mit dem Angeklagten gemeinsam in Haft gesessen und jeweils behauptet hatten, der Angeklagte habe ihnen die Tat eingestanden, hat die Kammer nicht geglaubt. Ihre Angaben waren widersprüchlich und teilweise durch ihre eigenen Aufzeichnungen widerlegt.

Auch zeitlich konnte die Tat dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Zeitmessungen haben ergeben, dass der Angeklagte nicht am Tatort gewesen sein kann, weil er schon kurz nach der Explosion aus seiner Wohnung heraus telefoniert hat.

Ganz wesentlich für den Freispruch der Kammer war auch, dass die Beweisaufnahme das ursprünglich angenommene Tatmotiv nicht bestätigt hat. Es konnte nicht festgestellt werden, dass es im Jahre 1999 eine Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und einer anderen Gruppe von Sprachschülern gegeben hat, die beim Angeklagten zum Tatentschluss geführt haben soll.

Der Angeklagte ist für die vom 31.01. bis 17.05.2018 vollzogene Untersuchungshaft und Durchsuchungen aus der Staatskasse zu entschädigen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger können gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.

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