Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 16.12.2024, AZ 4 ORs 57/24
Ausgabe: 10-12/2024
1.
Vereitelt der Täter im Rahmen einer Fluchtfahrt vor der Polizei in dem Willen, einen Zugriff der ihn verfolgenden Beamten zu verhindern, eine Vielzahl von Anhaltebemühungen und Überholversuchen der eingesetzten Polizeibeamten, kommt es im Verlauf der Verfolgungsjagd zu mehreren (Beinahe-)Unfällen des Fluchtfahrzeugs zum Nachteil der ihn verfolgenden Streifenwagen wie auch zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer und steuert der Täter letztlich sein Fahrzeug mit der Folge einer – durch einen Insassen des Streifenwagens körperlich empfundenen – Kollision in Richtung eines der ihn verfolgenden Polizeifahrzeuge, liegt ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne einer – die weiteren im Verlauf der Fahrt begangenen (Verkehrs-)Delikte umklammernden – natürlichen Handlungseinheit vor.
2.
Für die Annahme des subjektiven Tatbestandes des § 113 Abs. 1 StGB ist es nicht erforderlich, dass sich der Täter gegen die Insassen des Streifenwagens in ihrer Eigenschaft als Polizisten wenden will oder die Kollision absichtlich herbeiführt. Vielmehr ist eine (bedingt) vorsätzliche Widerstandsleistung bereits dann zu bejahen, wenn der Täter die infolge seiner Lenkbewegung eingetretene Gewalteinwirkung als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um seine Flucht fortsetzen zu können.
3.
Ein tätlicher Angriff i. S. v. § 114 Abs. 1 StGB ist eine mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten oder Soldaten zielende Einwirkung. Eine körperliche Berührung oder auch nur ein darauf zielender Vorsatz des Täters ist nicht erforderlich. Jedenfalls eine objektiv gefährliche, verletzungsgeeignete Handlung kann auch dann, wenn der Täter keinen Verletzungsvorsatz hat, ein tätlicher Angriff sein. (Anschluss an Senatsbeschluss vom 12.02.2019 – 4 RVs 9/19 und Senatsurteil vom 10.12.2019 – 4 RVs 88/19). Die Annahme einer solchen objektiv gefährlichen, verletzungsgeeigneten Handlung liegt auf der Hand, wenn der Täter im Rahmen einer Verfolgungsfahrt mit mehreren, mit hoher Geschwindigkeit teilweise sehr nah nebeneinander fahrenden Fahrzeugen, sein Fahrzeug in Richtung eines Streifenwagens steuert.
Weitere Informationen: https://www.justiz.nrw/nrwe/olgs/hamm/j2024/4_O…