BGH, Beschluss vom 16.12.2024, AZ 6 StR 335/23

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, Nr. 236/2024, vom 16.12.2024

Bundesgerichtshof hebt Urteil des Landgerichts Hannover im Prozess wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit 14 Tonnen Kokain im Strafausspruch auf

Urteil vom 16. Dezember 2024 – 6 StR 335/23

Der in Leipzig ansässige 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat einer Revision des Angeklagten H. gegen ein Urteil des Landgerichts Hannover teilweise stattgegeben. Mit der angefochtenen Entscheidung hatte das Landgericht den Angeklagten H. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte ab November 2020 Mitglied einer aus den Niederlanden heraus agierenden Gruppierung, die Kokain auf dem Seeweg aus Südamerika auch über Hamburg nach Europa einführte. Ihm oblag als Unternehmer aus dem Bereich der Containerlogistik das „Transport- und Speditionswesen“ der Gruppierung in Deutschland. Hierzu zählten insbesondere das Anwerben von Lkw-Fahrern sowie der Transport der Drogen aus dem Bereich des Hamburger Hafens in die Niederlande. Eine Lieferung von insgesamt 13.824 Kokainblöcken mit einem Nettogewicht von etwa 14 Tonnen und mit einem geschätzten Marktwert von etwa 448 Millionen Euro traf versteckt in drei 40-Fuß-Containern im Februar 2021 im Hamburger Hafen ein. Die Drogen konnten durch den Zoll unter Einsatz der Container-Prüfanlage sichergestellt werden, so dass es nicht mehr zu dem verabredeten Weitertransport durch den Angeklagten kam.

Im Zwischenverfahren machte der Angeklagte Angaben zu Personen aus dem Bereich von Polizei und Justiz, die gegen „Schmiergelder“ Informationen an Mitglieder der Gruppierung herausgegeben hätten. Er bezichtigte namentlich den in seinem Verfahren die Ermittlungen führenden Staatsanwalt G. und machte zu dessen Handlungen einzelne weitere Angaben. Dies führte – nach den Urteilsfeststellungen – zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Staatsanwalt G. durch die Staatsanwaltschaft Hannover.

Die Überprüfung durch den Bundesgerichtshof hat zum Schuldspruch weder auf die Verfahrens- noch auf die Sachrüge einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; die Verurteilung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist damit rechtskräftig. Die Revision hatte insbesondere eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren durch die Mitwirkung von Staatsanwalt G. an der Hauptverhandlung beanstandet. Dieser Rüge blieb der Erfolg auch deshalb versagt, weil an der gesamten Hauptverhandlung neben Staatsanwalt G. auch dessen Vorgesetzter, ein Oberstaatsanwalt, als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft teilgenommen hatte.

Den Strafausspruch hat der Bundesgerichtshof hingegen aufgehoben. Zwar hat das Landgericht die Voraussetzungen des gesetzlichen Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe rechtsfehlerfrei abgelehnt (§ 46b StGB). Aufklärungsbemühungen können aber auch jenseits dieses gesetzlichen Milderungsgrundes zu Gunsten eines Angeklagten als allgemeiner Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen sein. Warum dies hier – anders als bei den Aufklärungsbemühungen des Angeklagten betreffend einen Mitarbeiter der Polizei – von der Strafkammer nicht erkennbar erwogen wurde, vermochte der Senat angesichts der im Urteil mitgeteilten Aufklärungsbemühungen und des – nach den Urteilsfeststellungen – daraufhin gegen Staatsanwalt G. eingeleiteten Ermittlungsverfahrens nicht nachzuvollziehen.

Der Senat hat die Sache zur neuen Entscheidung über die Straffrage an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Vorschriften aus dem Betäubungsmittelgesetz:

§ 30a
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(…)
Vorschriften aus dem Strafgesetzbuch:

§ 46 Grundsätze der Strafzumessung

(1) 1Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. 2Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. 2Dabei kommen namentlich in Betracht:
(…)
sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(…)

§ 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten
(1) 1Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte,

(…)

kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. 2Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. 3War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. 4Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie

2. das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

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