BGH, Beschluss vom 11.12.2024, AZ 5 StR 498/23

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, Nr. 232/2024, vom 04.12.2024

Revision der Staatsanwaltschaft führt zur teilweisen Aufhebung eines Urteils des Landgerichts Berlin wegen Abrechnungsbetruges beim Betrieb von Corona-Teststellen

Urteil vom 4. Dezember 2024 – 5 StR 498/23

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat einer Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin wegen Abrechnungsbetruges beim Betrieb von Corona-Teststellen stattgegeben. Mit der angefochtenen Entscheidung hatte das Landgericht den Angeklagten C. am 27. März 2023 wegen Betrugs in 67 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen seine Schwester, die Angeklagte W., hat es wegen Beihilfe zum Betrug in 17 Fällen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, wobei es von einer einheitlichen Beihilfetat ausgegangen ist.

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte C. in Berlin mehrere Spätkaufgeschäfte und Gaststätten. Er ließ sich durch die Senatsverwaltung für Gesundheit für 18 Teststellen mit der Durchführung von Corona-Tests beauftragen, wobei er bis auf zwei alle Teststellen unter Fremd- und Falschpersonalien anmeldete. Zwischen Mai und Oktober 2021 rechnete er bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV Berlin) für alle 18 Teststellen in einer Vielzahl von Fällen Testleistungen ab, die nicht durchgeführt worden waren. So fanden an elf Standorten in Wahrheit überhaupt keine Corona-Tests statt, an den übrigen sieben Teststellen stets deutlich weniger als in den Abrechnungen angegeben. Aufgrund der Abrechnungen überwies die KV Berlin insgesamt 9.733.981,04 Euro auf verschiedene Konten, darunter auch auf solche der Angeklagten W. Nach den Feststellungen unterstützte sie ihren Bruder durch die Bereitstellung der Konten, die Veranlassung von Bargeldauszahlungen und durch die Gestattung der Verwendung ihrer Personalien zum Betrieb von Teststellen.

Bezüglich der unter falschen Personalien betriebenen Teststellen hat das Landgericht den gesamten Auszahlungsbetrag als Schaden angesetzt, auch wenn an diesen Stationen vereinzelt Tests durchgeführt wurden, da die Testleistungen in diesen Fällen nicht durch die beauftragte Person erbracht worden seien. Bei einer unter eigenem Namen betriebenen Teststelle hat die Strafkammer hingegen die Vergütung ermittelt, die auf die dort nach ihrer Schätzung tatsächlich erbrachten Testleistungen entfiel (63.879,03 Euro), und diese von der Schadenssumme abgezogen, da dem Angeklagten C. insoweit ein Erstattungsanspruch zugestanden habe. In dieser Höhe hat sie von einer Einziehung des Wertes von Taterträgen gegenüber beiden Angeklagten abgesehen.

Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft, die lediglich eine Korrektur des Einziehungssauspruchs bezweckte, das Urteil hinsichtlich des Angeklagten C. in den betreffenden Fällen und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Das Landgericht hat sein Urteil insoweit auf lückenhafte und widersprüchliche Feststellungen gestützt. Es hat insbesondere Umstände außer Betracht gelassen, die eine dem angenommenen Erstattungsanspruch entgegenstehende Betrugsstrafbarkeit begründen könnten. Nicht in den Blick genommen hat das Landgericht Hinweise darauf, dass der Angeklagte C. seine Dokumentationspflichten nicht erfüllte und in seinen Teststellen sowohl ungeschultes Personal eingesetzt als auch bei Abnahme der Tests die Wartezeit nicht eingehalten wurde. Da somit im Raum steht, dass er bei den Abrechnungen einheitlich auch über diese Umstände und nicht nur – wie vom Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen – über die Anzahl der durchgeführten Tests täuschte, konnte der Schuldspruch des Angeklagten C. in den betroffenen Fällen keinen Bestand haben. Dies bedingte insoweit auch den Wegfall des Rechtsfolgenausspruchs sowie die Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten W.

Eine andere Strafkammer des Landgerichts wird in diesen Fällen erneut über die Schuld- und Straffrage zu entscheiden und zu prüfen haben, ob – wie von der Staatsanwaltschaft erstrebt – auch insoweit der gesamte von der KV Berlin ausgezahlte Betrag eingezogen werden muss.

Vorinstanz:
LG Berlin – Urteil vom 27. März 2023 – 548 KLs 243 Js 131/22 (6/22)

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